Über den Tellerrand: „Mit Videokonferenzen kannte sich in unserem Industriebetrieb niemand aus!“

Rund um unsere Internetstellen bei Freshjobs bewegen wir uns manchmal gefühlt etwas in einer Blase – einer Blase von online-affinen Menschen, die sich ortsunabhängiges Arbeiten zumindest bis zu einem gewissen Grad gewöhnt sind und viele der praktischen Online-Tools, die sich aufgrund von Corona mittlerweile einer breiteren Nutzung erfreuen, schon lange vorher gekannt haben.

Was aber bedeutet die aktuelle Situation für eine Branche, deren Betätigungsfeld viel physischer ist und die oft eine ganz andere Unternehmenskultur pflegt? Was sind Herausforderungen, aber auch Chancen? Wir haben über den Tellerrand geschaut und mit Bernie Senn, Leiter Personal beim industriellen Handelsbetrieb Bachofen AG in Uster, gesprochen. 

Im Gespräch mit Bernie Senn, Leiter Personal des industriellen Handelsbetriebs Bachofen AG

Was ist euer Kerngeschäft und wie gross ist das Unternehmen? 

Bernie Senn: Wir sind ein industrieller Handelsbetrieb und vertreiben beratungsintensive Produkte und Komponenten für die industrielle Automation. Wir haben ein sehr breites und hochtechnisches Produktsortiment, mechanisch wie elektronisch, beispielsweise aus den Bereichen Pneumatik, Fluidtechnik, Bewegungstechnik, Sensorik, Steuerungstechnik und so weiter. Diese Produkte werden letztlich in zahlreichen verschiedenen Märkten eingesetzt, zum Beispiel in Maschinen und Anlagen, in der Medizintechnik, in der Bauindustrie oder im Transportbereich, um nur einige zu nennen. Wir sind also als Unternehmen sehr breit aufgestellt – entsprechend müssen unsere Leute über sehr viele verschiedene Bereiche Bescheid wissen. Die Bachofen AG hat rund 100 Mitarbeitende an den zwei Standorten Uster und Biel. 

Wie würdest du die Unternehmenskultur in eurem Industriebetrieb beschreiben?

Bernie Senn: Wir sind ein modernes und agiles Familienunternehmen mit einer nachhaltigen Philosophie, langfristiger Ausrichtung und einer sehr hohen Wertschätzung gegenüber unseren Mitarbeitenden. Im Unterschied zu vielen Unternehmen im Online-Bereich arbeiten die Leute bei uns aber hauptsächlich vor Ort an unseren beiden Firmenstandorten. Wir pflegen die firmeninternen Kontakte normalerweise also primär face-to-face und arbeiten auch so in den Teams zusammen. Unser betriebseigenes Personalrestaurant wird zudem sehr geschätzt und ist in der Mittagspause stets gut besucht. 

Was hat die plötzliche Home-Office-Empfehlung des Bundesrates wegen Corona im Frühling für euch bedeutet?

Bernie Senn: Wir waren vorher nur marginal für sowas eingerichtet, Home-Office im grossen Stil war eigentlich nicht vorgesehen. Entsprechend mussten zum Beispiel innert weniger Tage zahlreiche Lizenzen organisiert und Software eingerichtet werden. Unsere IT hat da einen super Job gemacht! Und dann mussten wir natürlich viele neue Online-Tools auf einmal einführen und all unsere Leute darauf schulen – mit Video-Konferenzen kannte sich vorher niemand bei uns aus. Zudem musste sich auch erst mal eine neue Führungskultur mit angepassten Strukturen etablieren, wie tägliche Online-Teammeetings oder virtuelle Kaffeepausen. In einem Betrieb, in dem sonst hauptsächlich vor Ort gearbeitet wird, ist das alles Neuland. 

Viel mehr Leute im Home-Office bedeutete aber auch Kurzarbeit für unser Personalrestaurant. Dieses durften wir unter Einhaltung von Schutzkonzepten zwar immer weiterbetreiben, wir mussten aber auch stets kalkulieren, was sich für eine reduzierte Belegschaft vor Ort noch lohnt.  

Wie war die Akzeptanz und praktische Umsetzung des für euch plötzlichen Arbeitens von zu Hause? 

Bernie Senn: Wie für viele andere Firmen war dies auch für uns eine sehr grosse Umstellung, die äusserst rasch geschehen musste. Die meisten unserer Leute haben sich aber gut reingeschickt, die neuen Tools und die andersartigen Sitzungen haben sich wirklich schnell etabliert. Die Veränderung war damit definitiv nicht nur schlecht, denn sie hat auch gezeigt, wie flexibel wir als Unternehmen sind. Und auch wenn wir uns drauf freuen, uns wieder mehr persönlich im Betrieb zu treffen, haben mittlerweile auch fast alle ein paar Vorzüge des Home-Office schätzen gelernt. Corona war für die Bachofen AG so auch eine unverhoffte Chance, die wir nun auch weiterhin nutzen wollen. 

Inwiefern wollt ihr diese Chance nutzen?

«Im Home-Office zu arbeiten hätte bis vor einem Jahr eher nicht unserer Kultur entsprochen – doch mittlerweile haben alle selber erlebt, dass es gut funktioniert und auch sehr motivierend und effizient ist.»

Bernie Senn: Wir bieten unseren Mitarbeitenden auch zukünftig und über Corona hinaus die Möglichkeit, einen Tag pro Woche aus dem Home-Office zu arbeiten. Das hätte bis vor einem Jahr eher nicht unserer Kultur entsprochen – doch mittlerweile haben alle selber erlebt, dass es gut funktioniert und auch sehr motivierend und effizient ist. Gerade für potentielle neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kann das unser sowieso schon gut aufgestelltes Unternehmen durchaus noch attraktiver machen. 

Dann leidet ihr nicht unter der Krise? 

Bernie Senn: Bis jetzt zumindest wirtschaftlich gesehen nicht gross. Die Corona-Krise hat uns einmal mehr gezeigt, dass wir mit unserer breiten Ausrichtung und den vielen Zielmärkten eine gute Strategie haben und die Bachofen AG weiterhin solid unterwegs ist. Einbussen in gewissen Bereichen werden mit grösserer Nachfrage in anderen Märkten, wie zurzeit beispielsweise Pharma und Medizinaltechnik, kompensiert. Das gibt uns als Unternehmen und natürlich auch unseren Mitarbeitenden Sicherheit. Zudem hat uns Corona noch stärker als vorher bewusst gemacht, dass wir auch als nach aussen vielleicht eher etwas traditioneller wirkende Organisation sehr flexibel sind und sich unsere Leute äusserst rasch auf eine neue Situation einstellen können. Das spricht sehr für unsere Belegschaft. 

Was für Arten von Stellen habt ihr denn so zu besetzen? 

Bernie Senn: Als industrieller Handelsbetrieb mit komplexen Produkten brauchen wir zum Beispiel sehr versierte technische Verkaufsberater im Aussendienst oder Produktmanager mit stark technischem Hintergrund. Dazu kommen natürlich kaufmännische Sachbearbeiter, Marketingspezialisten oder Informatiker. Und dann haben wir eben auch eine ganze Reihe von Leuten, die ihren Job ausschliesslich vor Ort machen können, wie Logistiker, Mechaniker oder das Team in der Montagewerkstatt.

«Auch wenn wir mit unserer technischen Beratung einen hohen Dienstleistungsanteil bieten, sind unsere Produkte letztlich physisch.»

Bernie Senn, Leiter Personal des industriellen Handelsbetriebs Bachofen AG

Wie handhabt ihr zurzeit Vorstellungsgespräche? 

Bernie Senn: Auch da gab es eine grosse Veränderung – früher machten wir diese unserer Kultur entsprechend fast ausschliesslich vor Ort. Heute finden Erstrundengespräche normalerweise über Video-Konferenz statt, vorausgesetzt natürlich, dass die Bewerber entsprechende Infrastruktur und das nötige Know-how haben. Bei einfacheren Jobs, beispielsweise in der Montage, ist das halt nicht immer möglich. In der zweiten Runde laden wir die Kandidaten und Kandidatinnen aber in jedem Fall noch in die Firma ein, sofern sie damit einverstanden sind, und führen Gespräche derzeit halt mit Maske. Letztlich ist es ja für beide Seiten von Vorteil: Zukünftige Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen möchten ihren Arbeitsplatz und das Unternehmen ja doch gern mal sehen, bevor sie einen Vertrag unterzeichnen – sie werden ja letztlich einen beträchtlichen Anteil ihrer Zeit da verbringen. Und auch wir haben gerne noch ein Live-Bild einer Person, die wir schlussendlich für eine wichtige Funktion anstellen und der wir aufgrund von vielen Anforderungen auch einen entsprechend hohen Lohn zahlen. 

Habt ihr auch hin- und wieder Stellen für Webbies, die ihr auf Freshjobs anbietet? 

Bernie Senn: Nicht hauptsächlich. Aber auch wir haben eine mehrköpfige Marketingabteilung, die unsere Webseite unterhält und weiterentwickelt, unseren Online-Shop bewirtschaftet und Digitalmarketing betreibt. Da kann sich schon mal eine passende Job-Kombination für das Freshjobs-Publikum ergeben. 

Darauf freuen wir uns! Besten Dank für das Gespräch.